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Mi Asa
Hanf in Japan

Am 16. Januar 1980 wurde der Ex-Beatle Paul McCartney bei der Einreise am Flughafen von Tokio vom japanischen Zoll kontrolliert. Gefunden wurden 219 Gramm Marihuana die der von der britischen Königin zum "Sir" geadelte Musiker aus den damals noch relativ liberalen USA mitgebracht hatte. Nicht zum Dealen, sondern für seinen persönlichen Gebrauch auf einer Tournee mit seiner Band "Wings". McCartney wurde verhaftet und neun Tage lang in Untersuchungshaft verhört bevor er auf Intervention eines amerikanischen Senators aus der Haft entlassen und prompt des Landes verwiesen wurde. [1]
18 Jahre später wurde der kanadische Snowboarder Ross Rebagliati in Nagano nachts von der japanischen Polizei abgeholt, seine Unterkunft durchsucht und er mehrstündig verhört nur weil ein Urintest kurz nach seinem Goldmedaillensieg möglicherweise wochenalte Spuren von THC-Metaboliten nachwies. [2] Diese zwei Verhaftungen bestimmen weitgehend das Image, das die japanische Drogenpolitik im Ausland hat. Hanf in Japan, gibt es das überhaupt?

Tatsache ist daß Cannabis in Japan seit Jahrtausenden verwurzelt ist. Hanf ist seit der jungsteinzeitlichen Yayoi-Kultur (10000-300 v.Chr) in Japan ansässig. Später, als der Reisbau aus China und Korea in Japan eingeführt wurde, war Hanf die wichtigste Faserpflanze und lieferte Kleidung, Seile, Papier, Öl und Medizin. Die japanische Shinto-Religion die Naturgottheiten, allen voran die Sonnengöttin Amaterasu, verehrt machte Hanf zu einem unverzichtbaren Bestandteil zur rituellen Reinigung. Bei bestimmten Ritualen wurden und werden Hanfblätter verräuchert, Hanfsamen bei Shinto-Hochzeiten verwendet. Das Hauptritual im Ise Schrein, dem der Sonnengöttin gewidmeten Stammschrein der japanischen kaiserlichen Familie, heisst noch heute "Taima", japanisch für Cannabis.

Kein Kraut für's Museum
Broschüre des Dorfes Miasa
Tourismusbroschüre des Dorfes Miasa
Während der Großteil der Hanfproduktion im Reich der Sonnengöttin unzweifelhaft zur Faserproduktion diente, lassen die religiösen Verbindungen ahnen daß nicht aller Hanf THC-arm war. Selbst im hohen Norden von Japan, auf der an Sibirien grenzenden Insel Hokkaido, wachsen heute noch verwilderte Hanfplanzen aus der Zeit des zweiten Weltkriegs, als das Kriegsministerium den Anbau im ganzen Land forcierte, die nach übereinstimmenden Urteil von Hanfkennern "ziemlich gut" sind. Nicht weit von Nagano in den "japanischen Nordalpen" wuchs einst der berühmte "Berghanf", der die beste Faserqualität lieferte. Im Dorf Miasa ("Schöner Hanf"), nur 20 km von der olympischen Piste entfernt erinnert heute ein Hanfmuseum an die reiche Hanftradition dieser Region. Herr Nakamura, der ehemalige Bürgermeister und Gründer des Museums beklagt, daß es ihm heutzutage unmöglich ist, Besuchern die Pflanze zu zeigen die dort seit 2.000 Jahren angebaut wurde. Im Gegensatz zu THC-armen Sorten aus der Präfektur Tochigi gilt der edle "Berghanf" als mayaku ("Hanfdroge"), der japanische Begriff für illegale Rauschmittel. Herr Nakamura dichtet Lieder über Hanf und gibt Führungen für Besucher aus ganz Japan, aber Hanf wächst in Miasa seit 1965 nur noch in versteckten Waldlichtungen der Berge.

Das alte Lied vom Bösen Hanf
Von der japanischen Polizei verbreitetes "Aufklärungsmaterial" enthält Aussagen die noch von dem US-Marihuana-Hysteriker Harry Anslinger selbst stammen könnten:
"Gewohnheitsgebraucher von Cannabis leiden an Einbildungen und Halluzinationen. Manchmal werden sie überreizt und verlieren die Selbstkontrolle, bis zum Gewaltausbruch. [...] Marihuanamißbrauch verursacht Zeitstörungen und die Verwechslung der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Süchtige sehen, was gar nicht sichtbar ist oder denken, daß etwas von ein paar Minuten Dauer schon seit Jahren andauert. Manchmal halten sie sich für schöne Damen oder Vögel oder Tiere. [...] Ihre Gesundheit verfällt." [3]

Wie kam es überhaupt so weit, vom Kraut der Götter zur Teufelsdroge? Das entscheidende Ereignis war wohl der Abwurf zweier Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, der Kaiser Hirohito dazu bewegte, vor den US-Amerikanern zu kapitulieren. Binnen weniger Wochen besetzten deren Truppen das gesamte Land. Bis zum Friendensvertrag von San Francisco im Jahre 1952 war die allierte Besatzungsregierung unter General McArthur die oberste Autorität in Japan. Dieser Autorität war es sehr suspekt was da auf den Feldern entlang der Straßen wuchs, war das doch das selbe "Mörderkraut" das zuhause auf Betreiben von Bundesdrogenpolizeichef Anslinger 1937 verboten worden war. Aus Sorge um das Seelenheil hunderttausdender im Land stationierter Soldaten erließ die Besatzungsregierung ein Gesetz, wonach von nun an der Hanfanbau nur noch mit staatlicher Lizenz erlaubt war.

Nach dem Abzug der Besatzer kümmerte sich zunächst niemand um dieses Gesetz dessen Ursache ohnehin niemand verstanden hatte. Die wichtigste Droge in Japan nach Alkohol und Nikotin war und ist Shabu, Methamphetamin, das zuerst im Krieg von der Regierung und später, nach dem Verbot, von den Yakuza, der japanischen Version der Mafia, unters Volk gebracht wurde. Für Hanf interessierte man sich erst wieder als man während das Vietnamkriegs ein paar Pflanzen im Garten von japanischen Hippies bei Nagano fand, die natürlich keine Lizenz hatten. Seitdem wird verhaftet, selbst bei nur einem einzigen Gramm, egal ob bei Musikgenies oder Weltmeistern. Wer eine Vorstrafe mit Drogen hat, bekommt als Ausländer Einreiseverbot.

Hanf für den Kaiser
Gleichzeitig geht der legale Hanfanbau weiter. Während es lange Jahre keine neuen Hanflizenzen gab, ist in den letzten zehn Jahren Bewegung in die Szene gekommen. Als im Januar 1989 Kaiser Hirohito verstarb und sein Sohn gekrönt werden sollte, brauchte man nach Shinto-Tradition spezielle Hanfgewänder, da der Kaiser zugleich Oberpriester ist. Bauern von der Insel Shikoku brachten dazu Hanf, den sie ohne Genehmigung angebaut hatten, und der Inthronisation des neuen Kaisers stand nichts mehr im Wege. Sie wurden dafür mit einer Anbaulizenz belohnt. Rund um Nagano wird weiterhin in kleinen Mengen Hanf für Shinto-Zwecke angebaut. Daraus fertigt man u.a. Glockenseile, Priesterkleider und Hanfpapier.

Im Jahre 1997 erhielt der Hanfladenbesitzer Yasunao Nakayama eine begehrte Anbaulizenz und fuhr im Herbst die erste Ernte ein. Verholfen hatte ihm dazu der Rechtsanwalt Marui, ein langjähriger Hanfaktivist, der selbst eine Forschungslizenz für Hanf erstritt. Zahlreiche andere Unternehmer der Hanfbranche und Aktivisten der Umwelt- und Hanfbewegung interessieren sich für neue Lizenzen. Auch an Forschungslizenzen für die medizinische Nutzung von Hanf bei multipler Sklerose, Krebs und anderen Krankheiten besteht Interesse, Cannabis war bis zum Verbot eine gängige Arznei in Japan.

Riskanter Rauch
Hanf als Genußmittel ist aber weiterhin ein Tabuthema, das auch Aktivisten möglichst wenig anschneiden. Es wird versucht, Hanf vorwiegend über seine Umweltverträglichkeit oder als Arznei zu verkaufen. Der Drang zur Entkriminalisierung ist noch sehr schwach, wohl auch angesichts der relativ niedrigen Anzahl von Verhaftungen: Während in den USA voriges Jahr fast 700.000 Marihuana-Verhaftungen erfolgten, waren es in Japan (mit fast der halben Bevölkerung der USA) in den letzten Jahren "nur" 1.500 und 2.000 pro Jahr. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich aber nicht etwa nur eine geringere Popularität von Hanf im Vergleich zu harten Drogen wie "Speed" und extrem schädlichem Lösungsmittelschnüffeln, sondern auch ein sehr großer Anreiz für Hanfkonsumenten, nicht bei der Polizei auffällig zu werden. Japanische Gefängnisse sind berüchtigt für ihre harten Bedingungen und ihre strenge Diziplin (Japan gehört noch nicht zu den Unterzeichnern der UN-Konvention gegen die Folter). 98 Prozent aller Strafverfahren vor japanischen Gerichten enden in Verurteilungen. Die Höchststrafe liegt für Marihuana"vergehen" bei 7 Jahren und mehrjährige Strafen sind bei Schmuggel die Regel. Viele der Verhafteten sind Kuriere aus Südostasien oder Händler die per Postpäckchen aus Thailand bedient werden. Viele sind Ausländer aus Asien oder Afrika mit abgelaufenem Visum, oft aus dem Iran, die sich den Aufenthalt in Japan mit Haschisch- oder Marihuanahandel finanzieren. Es gibt zwar auch Anhaltspunkte für grossangelegte Schmuggelunternehmen mit Hunderten von Kilogramm, aber kaum polizeiliche Erfolge in dieser Grössenordnung. Schwarzmarktpreise liegen bei 2.000 bis 3.000 Yen pro Gramm, etwa 25-40 Mark.

Viele Japaner bauen ihren Hanf selber im Freiland oder zunehmend auch zuhause an, anstatt sich auf riskanteren Handel einzulassen und dort hohe Preise zu zahlen. Die Samen stammen zunehmend aus Holland, Kanada oder Thailand.
Das japanische Klima ist ideal für Hanf und Tokio liegt auf dem selben Breitengrad wie das afghanische Hindukusch-Gebirge. Es gibt im ganzen Land Hanfläden, die teilweise auch als Headshops fungieren. Einer von ihnen ist "Taimado" in Tokio, wo neben Kleidung und anderen Produkten auch Pfeifen, Bongs, Chillums, Zigarettenpapiere und die amerikanische "High Times" angeboten wird. Inhaber Koichi Maeda schätzt daß über zwei Millionen Japaner Cannabis zumindest schon mal probiert haben, viele davon bei Auslandsaufenthalten in Europa, Nordamerika, Australien oder Neuseeland. Die Zahl der aktiven Konsumenten dürfte zumindest bei mehreren Hunderttausend liegen. Maeda hat vor kurzen auch ein Restaurant namens "Asa" (dt. Hanf, Leinen) eröffnet, das der jungen Hanfbewegung als Treffpunkt dient. Nicht nur in der Küche werden Hanfsamen verwendet, auch das Mobiliar ist hier aus Hanf(-spanplatten) gefertigt.

Informationsdefizit
Mit japanischsprachigen Websites im Internet verbreiten Aktivisten wie Maeda und Rechtsanwalt Marui Informationen über Hanf. Ein Hauptproblem ist die Sprachbarriere, denn viele Informationen sind nach Jahrzehnten der Kriminalisierung und Tabuisierung nur auf englisch oder in anderen Sprachen erhältlich. Nur wenige Japaner sprechen fließend englisch.
Inzwischen gibt es mehrere Aktivistengruppen, die sich für liberalen Umgang mit Hanf, von mehr Anbaulizenzen bis zur Entkriminalisierung als Droge, einsetzen. Das Internet, das auch in Japan zunehmend populär wird, dient als Schlüsselmedium, denn in den etablierten Massenmedien wird die bestehende Drogenpolitik noch kaum in Frage gestellt. Eine eigene Hanfpresse existiert noch nicht. Wenn das verschüttete und unterdrückte Wissen um Hanf jedoch erst einmal verfügbar gemacht wird, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis auch in Japan Anslingers Erbe dem Ende zugehen wird.


Anmerkungen:

[1] High Times, Juli 1980

[2] Cannabis Culture, August 1998

[3] Website der Polizei der Präfektur Shizuoka
http://www.wbs.or.jp/cmt/kenkei/e.htm/drug-03.htm

Hanf auf Japanisch:


MA / asa Schriftzeichen

Stempel mit
TAI und MA Zeichen

Asa, Taima: Hanf. "Ma" ist das chinesische Wort für Hanf und "Dai" oder "Tai" bedeutet "gross". "Taima" ("Grosser Hanf") ist der spezifische Ausdruck für Cannabishanf während "Asa" auch für Flachs oder Manilahanf verwendet wird.

Marifuana: Marihuana in der japanischen Aussprache.

Happa: "Blätter", der gebräuchlichste Ausdruck für Marihuana.

Happa o maku: Einen Joint rollen

Happa o suu: Kiffen.

Happachu, Happaboke: Der Ausdruck "Grassüchtling" ist unter Rauchern nicht ganz ernst gemeint.

Japanischer Hanf im Internet:

http://www.taima.org
Eine englischsprachige Website über Hanf in Japan.

http://www.asahi-net.or.jp/~is2h-mri/
Site von Rechtsanwalt Marui der seit 20 Jahren für Reformen eintritt. (japanisch)

http://www.bekkoame.or.jp/~taimado/
Site von Herrn Maeda vom Hanfladen Taimado. (auf japanisch)

Grafik:


Hanffaser und Hanfpapier in Shinto-Schrein
im Bergdorf Sami in der Präfektur Gifu


Hanfseil im ältesten Shinto-Schrein der Präfektur Saitama


Glockenseil aus Hanf


Kochen von Hanfstengeln zum Faseraufschluß.
"Es ist wahrscheinlich der beste Hanf der auf der ganzen Welt angebaut wird. Die Faserlänge, die Feinheit, der Glanz und die Festigkeit der Ware sind unübertroffen."
(der US-Landwirtschaftsminister 1873 über japanischen Hanf)


Hanfernte in Miasa (Nagano)

Mistress in Mosquito-net
'Geliebte in Moskitonetz' von Yoshitoshi (1826-1902).
Moskitonetze aus Hanf oder Seide waren seit langer Zeit
ein wirksames Mittel gegen die Stechmückenplage
im schwülen japanischen Sommer.


'Liebespaar' des Malers Chôki (ca. 1800)
mit japanischen Kiseru-Pfeifen


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